Nach dem Auftritt von Dr. Petra Weiermayer in „Guten Morgen Österreich“ zum Thema „Integrative Medizin“ (zum Videoclip >>) gab es heftige Reaktionen auf der Facebook-Seite der Österreichischen Tierärztekammer (ÖTK). Nun hat der Präsident der ÖTK ein klares Statement abgeben >>
Pluralismus in der Veterinärmedizin, miteinander statt gegeneinander.
Seit Jahren bemühen wir uns die Kooperation zwischen konventioneller Tiermedizin und komplementären veterinärmedizinischen Richtungen zu fördern.
Die Grabenkämpfe zwischen der sogenannten Schulmedizin und der sogenannten Komplementärmedizin sollten endlich zugunsten einer integrativen Tiermedizin überwunden werden.
Die Rolle und Aufgabe der ÖTK und auch meine Aufgabe ist nicht zu polarisieren, sondern das Miteinander zu fördern, das Gemeinsame aus mehreren Welten zu unterstützen und auch zu vertreten. Die ÖTK als gesetzlich eingerichteter Vertretungskörper und Interessensvertretung ihrer Mitglieder, ist geradezu verpflichtet sich mit der Vielfalt an unterschiedlichen Interessensgebieten zu befassen und hier auch auf die Umsetzung gesetzlicher und erlassener Vorgaben zu achten.
Die entsprechenden anerkannten FTA Gebiete (Homöopathie, Akupunktur und Neuraltherapie, Chiropraktik u.a.) und eingerichteten ÖTK-Diplome geben Zeugnis darüber, wie diese Bereiche berufsrechtlich verankert sind.
2018 wurde eine Stellungnahme zur Integrativmedizin verfasst. Die vom Begriff Integrativmedizin/Komplementärmedizin umfassten Methoden sind in der Stellungnahme genannt und sollen auch mithelfen, die Trennlinie zu esoterischen oder okkulten Methoden, die nicht mit den Ansätzen einer integrativen Medizin verwechselt werden dürfen, zu ziehen.
Gerade auf dem Gebiet der Komplementärmedizin hat die Veterinärmedizin Pionierarbeit geleistet, darauf sollten wir stolz sein und sollten auch darauf aufbauen.
Fakt ist: „Ganzheitliches“ ist gefragt und am Anfang steht die medizinisch fundierte Diagnose.
Gerade auch in der Tiermedizin ähnlich der Humanmedizin ist auch das Verlangen nach einer sanften, verständnisbereiten, menschlich teilnehmenden Medizin unausweichlich geworden.
Auch wir Tierärztinnen und Tierärzte müssen unsere Patienten „ganzheitlich“ betrachten, schließlich können sie sich auch nicht äußern oder ihre Beschwerden schildern bzw. werden von deren Haltern ganz unterschiedliche Angaben gemacht, sicher eine große Herausforderung und Verantwortung. Es gilt sämtliche Informationen oder Erkenntnisse zu bewerten, um diese unseren Patienten wieder zu Gute kommen zu lassen. All unser Handeln, unsere Entscheidung und unsere Sicherheiten basieren unbestritten auf unserer fundierten Ausbildung, unserer Erfahrung und auch auf dem Wissen um ergänzende Heilmethoden hinzuziehen zu können.
Auch das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz favorisiert den Begriff Komplementärmedizin, um zu signalisieren, dass die Methoden nicht als Alternativen zur Schulmedizin angesehen werden sollen.
Komplementärmedizinische Methoden sollen ergänzend – im Sinne einer integrativen Medizin – und nicht anstatt der „schulmedizinischen“ Maßnahmen erfolgen. Sie haben also zum Ziel, den Behandlungserfolg einer klassischen Therapie zu unterstützen.
Dennoch ist es wichtig, klare Trennlinien zu ziehen, interessierte Personengruppen, sogenannte „Therapeuten“, oft ohne Kenntnis und Ausbildung, bemühen sich intensiv um diese Bereiche, was letztlich auch dazu führt, dass unsere Kunden mehr und mehr abwandern. Tierärzte besitzen ja kein Wissen und zu wenig bis gar keine Ausbildung auf diesen Gebieten, wird als Rechtfertigung oft angegeben, wenn es zu Beanstandungen kommt.
Stichwort: Berufs- und Tätigkeitsvorbehalt. Wir weisen permanent darauf hin und setzen uns auch dafür ein, dass nach § 12 Tierärztegesetz in Österreich Diagnose und Therapie am kranken Tier ausschließlich Tierärztinnen und Tierärzten vorbehalten sind, auch im Sinne der Patientensicherheit und des Konsumentenschutzes. Tierheilpraktiker gehören in Österreich nicht zu den anerkannten und zugelassen Berufen, vermutlich hat man in Deutschland hier einiges versäumt.
Anerkannte integrative Methoden, gehören in die Hände von Tierärztinnen und Tierärzte.
Ich trete deshalb auch persönlich für eine bessere Verknüpfung von schul- und komplementärmedizinischen Ansätzen ein. Auch Tiermedizin ist keine reine Naturwissenschaft, sondern „auch eine Erfahrungswissenschaft, die sich vieler anderer Wissenschaften bedienen kann“. Beim weitaus größten Teil der tierärztlichen Leistungen komme es vor allem auf die Expertise des behandelnden Tierarztes, auf seine Persönlichkeit, Erfahrung, aber auch auf die Nutzung integrativer Methoden, zum Wohle des Patienten an.
Kurt Frühwirth